Sieht man sich doppelsitzige Leistungssegelflugzeuge an, scheinen diese für den Laien relativ ähnlich zu sein, als Flieger erkennt man natürlich den Typ und die Unterschiede; Die Ähnlichkeiten sind dennoch nicht von der Hand zu weisen. Lenkt man seinen Blick aber auf die Fahrwerke, zeigen sich große Unterschiede. Gut, die Schulungsflugzeuge wie ASK-21 oder Puchacz mit festem Bug- und Hauptrad sind nicht mehr ganz up to date, aber vergleicht man zum Beispiel die ASG-32 mit dem Arcus als Selbststarter, hat der Arcus ein festes Bugfahrwerk, bei der ASG-32 wurde darauf verzichtet. Und das ist nicht alles, die ASG-32 zieht sogar ihr Spornrad ein.
Als Student, der von der Aerodynamik begeistert ist, stellt man sich da schnell die Frage: Lohnt es sich wirklich das Spornrad einzuziehen, also aus aerodynamischer Sicht? Und sollte dies der Fall sein, ist dann ein festes Bugrad nicht noch viel schlimmer, da es weit vorne am Rumpf eventuell noch in laminarer Strömung liegt, aber auf jeden Fall aus der Grenzschicht herausragt und nicht wie das Spornrad in der Grenzschicht der Rumpfumströmung untergeht?
Steht man dann als Akaflieg auch vor einem ähnlichen Problem, bietet das eine gute Grundlage, um mal wieder zu Forschen.

Doch beginnen wir am Anfang.

Als die D-B11 im Jahre 2006 projektiert wurde, entstand in einer Diplomarbeit die Rumpfkontur, in weiten Studienarbeiten im Jahre 2007 folgten erste Auslegung der Rumpfstruktur und auch eines Hauptfahrwerkes. Durch unsere große Haube, die bis hinter den Flügel reicht, ist der Bereich des Flügelanschlusses sehr eng. Hier wird einmal die Steuerung an den Flügel übergeben und das Fahrwerk ist in einem Kasten unter dem Flügel untergebracht. Aufgrund der geringen Baugröße war es nicht möglich, das Hauptrad vor dem Schwerpunkt zu positionieren und so auf ein Bugrad verzichten zu können. Hinzukamen Aspekte wie die Crashsicherheit, wodurch das Fahrwerk nicht unter dem hinteren Sitz positioniert werden konnte und die Einstiegsgeometrie, da bei einem Verzicht auf das Bugrad, das Hauptrad deutlich höher geworden wäre. So stand schon damals die D-B11 als Doppelsitzer mit Dreiradfahrwerk, einziehbarem Hauptrad und festem Bug- und Spornrad fest.
Durch den steigenden Einsatz von elektrischen Antrieben in Segelflugzeugen für Fahrwerke oder Trimmung, wird es auch leichter mehrere Fahrwerke dezentral elektrisch anzusteuern. So entstand die Idee das Bugrad einziehbar zu gestalten bzw. zunächst einmal das Ganze im Windkanal zu vermessen, ob sich der Entwicklungsaufwand für ein solches Bugrad lohnen würde.

So begann Anfang 2016 die Planung für das Windkanalmodell. Da der Bau des Mockups bereits fortgeschritten war und der Windkanal der TU-Dresden recht groß ist, entstand die Idee, das Mockup zu einem Windkanalmodell zu modifizieren. Da kam die Aero in Friedrichshafen auch noch ganz gelegen, sodass im letzten Jahr das Mockup als schickes Messe- und Windkanal Modell hergerichtet wurde. Im Klartext hieß dies, dass das Mockup bis in den Bereich der Rumpfröhre erweitert werden muss, damit die Umströmung um die Flügel und das Hauptrad nicht zu stark durch das Modellende beeinflusst wird. Zudem waren Flügelstummel nötig, um zumindest ein ähnliches Strömungsfeld mit Aufwindfeld vor dem Flügel und Abwindfeld hinter dem Flügel zu erzeugen. Der Übergang von Rumpf und Flügel wurde dann noch aerodynamisch angeformt und natürlich mussten Haubenprototypen erstellt werden, damit die Rumpfkontur geschlossen ist. Mit vielen Werkstattstunden und unglaublichem Einsatz der gesamten Gruppe konnte all dies und sogar noch ein funktionsfähiges, einziehbares Hauptrad bis zur Aero Friedrichshafen im April fertiggestellt werden.

Von dort ging die Reise für das Mockup direkt zum Niedergeschwindigkeitswindkanal der TU Dresden. In relativ kurzer Zeit wurde dort ein Ständer konzipiert, der das 5,5m lange und 3m breite Modell auf dem Rücken, also im Rückenflug in der Messstrecke fixiert. Dies war notwendig, um die für die Messung relevante Unterseite des Rumpfes mittig im Strahl des Windkanals zu positionieren und gleichzeitig frei von Strukturbauteilen zu halten, die die Strömung stark stören würden.

Das Modell wurde noch mit 22 Druckbohrungen am Flügel versehen, um Auftriebsbeiwerte messen zu können und diese über den Anstellwinkel auch einstellen zu können. Zudem war der Rumpf mit mehreren Statikbohrungen versehen. Zum einen, um das Modell exakt in Strömungsrichtung zu positionieren, zum anderen, um abzuschätzen wo später beim fliegenden Prototypen die Statik abgegriffen werden kann. Die Statik bzw. der statische Umgebungsdruck wird für die Funktion der Fluginstrumente benötigt und muss möglichst genau, ohne Störeinfluss gemessen werden.

Nachdem das Mockup exakt in Strömungsrichtung positioniert war, wurden verschiedene Anstellwinkel untersucht und über die Druckbohrungen im Flügel konnte auch ein schöner linearer Auftriebsanstieg gemessen werden. Um den Messaufwand gering zu halten, wurde für die Widerstandsmessung lediglich ein Flugzustand untersucht. Hierzu wurde als Referenzflugzustand eine Abflugmasse von 600kg bei einer Geschwindigkeit von 180km/h (50m/s) gewählt. Dieser Schnellflugzustand bietet sich an, denn ein zusätzliches Bugrad erhöht den Form- und Reibungswiderstand, der bei steigender Geschwindigkeit einen immer größeren Anteil des Gesamtwiderstands ausmacht, da der induzierte Widerstand mit steigender Geschwindigkeit abnimmt.

Nachdem dieser Flugzustand über den Anstellwinkel eingestellt und per Messung kontrolliert wurde, konnte mit den richtigen Messungen begonnen werden. Der Widerstand wurde über Nachlaufmessungen bestimmt. Hierbei wurden mit einem Pitotrechen 1110 Punkte abgefahren und jeweils der Gesamtdruck 50cm hinter dem Hauptfahrwerk bestimmt. Dabei wurden verschiedenste Fahrwerkkonfigurationen untersucht: Kein Bugrad, eingefahrenes Bugrad mit simulierten Klappenspalten, ausgefahrenes Bugrad mit Fahrwerkslappen, festes Bugrad und festes Bugrad mit einer aerodynamischen Verkleidung ähnlich dem Hauptfahrwerk der ASK-21. Die verschiedenen Bugradkonfigurationen wurden jeweils mit eingefahrenem und ausgefahrenem Hauptrad untersucht.

Aus den Druckbeiwerten im Nachlauf kann relativ leicht ein zusätzlicher Widerstand berechnet werden. Dieser muss bei motorlosem Flug durch einen veränderten Gleitwinkel kompensiert werden, man kann den Widerstand also auch als ein zusätzliches Sinken ausdrücken, wodurch der Wert deutlich anschaulicher wird.

Die endgültige Auswertung aller Werte steht noch an, aber erste Berechnungen aus den Nachläufen ergeben ein zusätzliches Sinken von etwa 0,05m/s durch ein starres Bugrad, bei einer Fluggeschwindigkeit von 180km/h.
Da die D-B11 die Flügel des Duo Discus übernimmt, ist anzunehmen, dass die Polare in etwa ähnlich ausfällt. Bei 180km/h hat der Duo Discus je nach Abflugmasse etwa ein Sinken von 2m/s und damit eine Gleitzahl von E=25. Würde man nun durch das Einziehen des Bugrades 0,05m/s Sinken sparen, ergibt sich eine Verbesserung der Gleitzahl um 0,64 Gleitzahlpunkte. Für Leistungspiloten kann das bereits interessant sein, vor Allem, da der Einfluss mit steigender Geschwindigkeit und höheren Abflugmassen noch zunimmt.

Die Umrechnung auf verschiedene Beladungszustände und weitere Geschwindigkeiten, um eine gesamte Geschwindigkeitspolare abschätzen zu können folgen in den nächsten Wochen. Die Ergebnisse aus dem Windkanal sollen beim Sommertreffen im Freiflug nochmals validiert werden und werden auf dem Segelflugsymposium präsentiert.

Nebelvisualisierung mittels Laser
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